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  Meine nächstes Buchprojekt für 2016/17:

 

>>Am Ende der Vernunft<< BUCH 3

 

Erwachen

In zerschlissene, lehmbraune Lumpen gehüllt, die wie ein zerrissener Jutesack mit Erdenstaub und Kartoffelschalenresten verschmutzt an ihm hingen, schlenderte der kleinwüchsige gebeugte Mann durch eine mittelalterliche, belebte Innenstadt. Sein struppiges, langes, viel zu früh ergrautes, silber-weißes Haar verbarg er unter einer filzig-speckigen Kapuze seines löchrigen, schmutzigen, dünnen, absolut heruntergekommenen Leinenmantels, der ihm zudem auch noch viel zu groß war und um seine schmächtige Gestalt beim leichtesten Windhauch schlotterte, als ob er ständig zittern würde. Er drängte sich durch die Menschenmasse, die ihn entweder missachtete oder ihn schleunigst von sich stieß, um den bettelarmen Rinnsteinsammler augenblicklich wieder loszuwerden – solchereins war ein Tunichtgut, der als Beutelabschneider gefürchtet wurde, ein Dieb, der sich mit einem zackig ausgeführten Messerschnitt die Münzsäckchen der Bürger und Kaufleute stahl.

 

Heute war Markttag in den engen kopfsteingepflasterten Straßen, die vor feilbietenden Händlern, lauthals ihre Waren anpreisenden Marktfrauen, sich tummelnden Gauklern und wagemutigen Akrobaten, sowie feilschenden Käufern und lustig, ausgelassen kreischenden Kindern über zu quellen schienen.

 

„Der Captain?“, fragte Leroy verwundert. „Fist? Echt jetzt?“

„Ja, er hat Blut und Wasser vor Angst um dich geschwitzt, als wir dich im Wald halb tot fanden. Tagelang wich er kaum von deiner Liege und half, um dich zu versorgen. Alex war ebenso oft hier. In Fred und Alex hast du neue Freunde gefunden.“

„Neue Freunde? Ja …“ Leroy sah sich um und deutete in keine bestimmte Richtung, einfach irgendwohin im Isolationsraum, der zur Krankenstation gehörte. „Hier erscheint mir nichts als neu.“

Anthony legte den Kopf leicht schief, was ihm hinter seiner Brille ein eulenhaftes Aussehen verlieh, denn er dachte scharf nach, ob er bei Leroys Diagnose eine mittelschwere Gehirnerschütterung übersehen hatte. „Klärst du mich über deine Flashbacks auf?“

„Ist nur so ein … ein …“ Leroy zuckte hilflos wirkend die Schultern – er wusste nicht, wie und wenn doch ob er vor Anthony ausdrücken sollte, was er im Fieberwahn so intensiv erlebt hatte, dass er längst nach dem Aufwachen und fieberfrei sich noch immer an die Szenen in den Alpträumen plastisch überdeutlich erinnern konnte.

„Nur so ein Gefühl?“, hakte Anthony psychologisch kitzelnd nach.

„Kann man so nennen.“ Mit Äußerungen zu seinen Gefühlen hielt Leroy meistens hinter dem Berg, der diesmal die Anhöhe der Burg von Gellertsheim war, auf der sie nach dem Einsatzdesaster von Ulm versetzt worden waren.

Damit er sich wirklich wieder hinlegte, half Anthony Leroy fürsorglich unter die Bettdecke. „Dir kommt hier etwas bekannt vor?“

„Nicht nur etwas – alles.“ 

 

 

>>Am Ende der Vernunft<< BUCH 2

 

„Wenn Gewalt die Oberhand über unsere Handlungen gewinnt, sind wir nicht nur am Ende der Vernunft angelangt, sondern es ist zudem ein Zeichen von gänzlicher Überforderung auf mindestens einer der drei menschlichen Lebensebenen von Körper, Geist und Seele. Dennoch muss die Gewalt manchmal geschehen, um zu erkennen, wenn etwas im Leben schiefläuft. Korrigieren, verändern, reanimieren können wir die Liebe nur, wenn wir einmal vor uns selbst kapituliert haben. Darum sollte jeder in den Krieg gehen, der nicht weiß, was Krieg ist.“

 

Romana Wallace, Lieutenant der WOMEN-Force

 

„Sa-ni-tä-ter“, krächzte Romana.

„Soldat Wallace, schlucken Sie endlich den Schlamm runter und schreien Sie!“

Romana würgte vor Brechreiz. „Sani!“

„Was haben Sie gemurmelt? Stellen Sie sich vor, dass es sich hierbei um einen Ernstfall im Krieg handelt! Lauter! Wollen Sie unter Vollbeschuss von einer Kameradin oder einer Paramedizinerin gehört und gerettet werden oder nicht?“

„Sa-ni!“

„LAUT habe ich gesagt!“

„SANI!“

„LAUT!!!“

„SANI!!!“ Fix und fertig, wie von einem Dutzend Panzer samt Doppelketten überrollt fühlte sich Romana, die aus ihren Lungen die allerletzte Kraft herausgeschrien hatte. Ihr langer Rücken wollte sich nicht aufrichten lassen und ihre Arme waren steif wie krumme Stecken.

 

 

      Gunnery Sergeant Wallace brach wie eine Baumerntemaschine durchs Gehölz zu ihnen am Fluss. „Wir müssen schleunigst weg von hier, Lee-Jay! An der Ausfallstraße, auf die ich gestoßen bin, lagert ein Militär-Versorgungskonvoi der Women-Force. Die sind beim Futtern ihrer Rationsportionen, aber keine Ahnung wie lange die noch stille halten.“

„Gut, dort schnappen wir uns einen Jeep oder einen Laster. Die Konvois sind meistens schlecht gegen Überfälle abgesichert“, wusste Sergeant-Major Smith einen Ausweg. „Alex, du manövrierst Fred vorwärts. Sam, wir zwei suchen uns den besten Transportwagen und schließen ihn notfalls kurz.“

„Was Sanis so alles können“, wunderte sich Alexander. „Lee-Jay, was bist du alles von Beruf?“

Diesmal beantworte ihm Leroy diese Frage nicht. Er hatte noch immer das schwere M60-MG auf den Schultern zu tragen, das ihm den Schweiß übers Gesicht rinnen ließ, wenn er im bergigen Waldgelände eine Anhöhe erklimmen musste.

„Wir Tharas müssen alles können!“, gab Sam-Peter an, der gemeinsam mit Alexander Frederick auf die Beine stellte, dem sie ins Gesicht blickten, ob er wieder anfing, die Augen zu verdrehen.

„Rauf zur Straße!“, kommandierte Sergeant-Major Smith, der die Gesäßmuskeln anspannte und die Waldböschung zu besteigen begann. Oben mit hämmerndem Herzen kam er an und überblickte schnell die Lage, entschied sich für den erstbesten abgestellten leeren LKW mit hinten offener Transportpritsche, doch die nutzten sie nicht als ihre Sitzfläche, während lediglich einer auf den Fahrersitz glitt, sondern schlichen vor bis zum Führerhaus, in das sich die vier Männer reinquetschen wollten.